Immunsystem des Pferdes – wie funktioniert es?
Immunis lat. = geschützt sein gegen gewisse Bedingungen
Der Herbst ist da und es ist in aller Munde: das Immunsystem des Pferdes. Jeder spricht davon, aber (fast) keiner weiß so wirklich was es ist und wie es funktioniert. Was hat die Fütterung mit dem Immunsystem des Pferdes zu tun? Und warum ist der Darm auch beim Pferd wichtig fürs Immunsystem? Wie kann ich das Immunsystem beim Pferd stärken? Als Immunsystem bezeichnen wir das gesamte Abwehrsystem des Körpers gegen Krankheitserreger (=Pat)
Einblick in ein komplexes System
Die Immunbiologie unterscheidet folgende Komponenten:
- Barriere = Allgemeine Abwehr dazu gehören Fell, Haut, Flimmerepithel, Magensäure, Darmflora, Zersetzungsenzyme
- Barriere = Zelluläre Abwehr (Zellen in Blutkreislauf und Lymphe wie Leukozyten, Makrophagen oder NK-Zellen, Zersetzungsenzyme)
- Barriere = Humorale Abwehr (Plasmaproteine) wie Antikörper, Zersetzungsenzyme, Inteferone[1]
Das Immunsystem des Pferdes ist ein sehr komplexes System. Wenn alles im Körper ‚rund‘ läuft, dann funktioniert es gut. Doch bei wie vielen Pferden läuft heut zu Tage schon alles ‚rund‘? Viele Faktoren können das Immunsystem negativ beeinflussen und wenn das passiert, wird das Pferd krank. Fast immer findet sich die Ursache des Problems in einem oder mehreren der folgenden drei Schlüsselelemente für das Immunsystem des Pferdes: Stress, Fütterung und Alter.[2] Hat ein Pferd Stress, fehlen ihm wichtige Nährstoffe oder ist es alt, dann funktioniert das Immunsystem nicht optimal und der Körper ist unzureichend vor eindringenden Krankheitserregern geschützt.
Das Immunsystem des Pferdes ist also mit der komplexen Aufgabe konfrontiert, seinen Körper täglich mit den notwendigen Nährstoffen und Sauerstoff zu versorgen und dabei ständig potentielle gefährliche Organismen wie Bakterien, Parasiten und Viren zu bekämpfen. Außerdem muss der Körper seine eigenen Zellen als ‘Nicht-Eindringling’ erkennen – wenn dieser Mechanismus nicht funktioniert, dann leidet das Tier unter einer Autoimmunerkrankung.
Immunsystem des Pferdes, DARM – Schutzzentrale des Körpers
Das Pferd hat einen im Vergleich zu anderen Säugetieren wesentlich größeren aufsteigenden Dickdarm (großes Colon) und Blinddarm (Cecum). Dieser riesige Darmtrakt ist von einem komplexen System aus tausenden Lymphgefäßen und -knoten[5] durchzogen (Peyersche Drüsen). Dieses wichtige Rad im Lymphsystem macht rund 80% der Lymphknoten aus und produziert somit die meisten Antikörper im gesamten System des Pferdes. Diese Abwehrzellen sitzen in der Darmschleimhaut[6]. Somit ist der Darm ein äußerst wichtiger Teil des Immunabwehrsystems. Seine Innenfläche ist die größte Berührungsfläche mit Keimen aus der ‚Außenwelt‘.
Sowohl junge, als auch ältere Pferde haben ein sehr empfindliches Immunsystem
Fohlen werden mit einem unreifen Immunsystem geboren und bauen dieses erst langsam über das Cholostrum (Biestmilch) auf. Auch die Darmflora bildet sich in den ersten Lebenswochen heran, dazu frisst das Fohlen den Kot der Mutter. Das Keimumfeld, die Gesundheit der Mutter, Haltung und Fütterung spielen daher eine sehr große Rolle für die Ausbildung eines stabilen Immunsystems. Bei Älteren Pferden wirkt sich der Alterungsprozess ebenfalls auf den Stoffwechsel und das Immunsystem aus.
Was bringt das Immunsystem des Pferdes aus dem Gleichgewicht?
Stress, Ernährung und Alter sind jene Faktoren, die das delikate und komplexe Immunsystem unserer Pferde am stärksten beeinflussen.
Stress:
Wir unterscheiden physischen und psychischen Stress. Trennung eines Fohlens von der Mutter, oder ein ungewohnter Transport, Stallwechsel – all diese Situationen bedeuten mentalen Stress für ein Pferd. Physischer Stress kann beispielsweise von einer Verletzung oder durch körperliche Überanstrengung verursacht werden. Was passiert dabei im Körper? Andauernder Stress verursacht das Absinken von bestimmten Substanzen im Immunsystem des Pferdes, die der Abwehr von Krankheitserregern dienen. Außerdem werden Stresshormone ausgeschüttet, die die Immunantwort unterdrücken[7], das innere Schutzschild wird geschwächt.
Mangelernährung:
Fehlen wichtige Nährstoffe, beeinflusst dies die Zellproduktion negativ. Somit kann auch ein wohlernährtes Pferd unter Mangelernährung leiden – wenn ihm die notwendigen Mikromineralien wie Zink, Kupfer, Kobalt, Selen und Magnesium und Makromineralien wie Calcium, Phosphor und Magnesium fehlen. Unter den Mikromineralien steht vor allem Zink im Vordergrund. Zink ist äußerst wichtig für den Aufbau der Darmschleimhaut und der Haut und ist in wesentlichen Stoffwechselprozessen beteiligt. Ein Mangel an Zink wirkt sich auch negativ auf die Bildung von weißen Blutkörperchen aus.[8] Bevor man allerdings in den Mineralstoffhaushalt des Pferdes eingreift, muss man sich der unterschiedlichen Wechselwirkungen bewusst sein, so zum Beispiel die Calcium-Phosphor oder die Zink-Kupfer Ratio.[9] Man sollte es sich zu Gewohnheit machen, jedes Mineralstoffmittel genau auf seine Mineralstoffkonzentration zu überprüfen (Zusammensetzung lesen!) und dann erst eine Kaufentscheidung abgestimmt auf die aktuelle Situation zu treffen.
Wichtig ist die Versorgung mit hochwertigen Nährstoffen aus den richtigen, pferdegerechten Futtermitteln und hochwertigen Zusatzfuttermitteln, wenn die Notwendigkeit zu diesen besteht. Die Ausgewogenheit zwischen Raufutter- und Kraftfuttermengen, gemessen am individuellen Energieverbrauch ist wichtig für eine intakte Darmflora und Darmschleimhaut. Mit Schadstoffen verseuchte oder nicht geeignete Futtermittel (z.B. solche, die schwer verdauliche Stärke oder zu viel Zucker enthalten) schwächen das Immunsystem des Pferdes auf Dauer. Es entstehen langfristige Schäden an den Entgiftungsorganen wie Leber oder Niere, der Darmflora oder den Atemwegen. Hochwertige, schimmelpilzfreie, bevorzugt nicht industriell aufbereitete Grundfuttermittel weisen einen höheren Nährstoffgehalt auf und belasten den Stoffwechsel nicht – auch das Pferd ist, was es frisst.
Alter:
Sowohl junge, als auch ältere Pferde haben ein sehr empfindliches Immunsystem. Fohlen werden mit einem unreifen Immunsystem geboren und bauen dieses erst langsam über das Cholostrum (Biestmilch) auf. Auch die Darmflora bildet sich in den ersten Lebenswochen heran, dazu frisst das Fohlen den Kot der Mutter. Das Keimumfeld, die Gesundheit der Mutter, Haltung und Fütterung spielen daher eine sehr große Rolle für die Ausbildung eines stabilen Immunsystems. Bei Älteren Pferden wirkt sich der Alterungsprozess ebenfalls auf den Stoffwechsel und das Immunsystem aus.
Das Immunsystem des Pferdes schützen – was bedeutet das?
Es ist in der Tat sinnvoll, das Immunsystem des Pferdes zu unterstützen. Doch der Griff zu irgendwelchen Futterergänzungsmitteln oder Mineralfuttermitteln alleine wird uns dem Ziel nicht näherbringen. Wir müssen alle Faktoren des komplexen Systems betrachten und vor allem für die richtigen Grundvoraussetzungen punkto Haltung & Fütterung sowie Management des Pferdes sorgen.
Das Immunsystem des Pferdes fit halten - gute Rahmenbedingungen schaffen:
Haltung
- Genügend Auslauf & Bewegung: das Bewegungstier Pferd würde sich in freier Wildbahn durchschnittlich 40km am Tag fortbewegen
- Bei jedem Wetter – der Organismus muss auch immer wieder extremeren Wettersituationen ausgesetzt sein, damit das Immunsystem des Pferdes gefordert wird. Dies gilt sowohl für das Boxenpferd, als auch für den Offenstallkollegen, denn ein Offenstall garantiert nicht zwangsläufig genügend Bewegung. Gut belüftete Ställe, kein Staub, Schimmel oder Ammoniak in der Atemluft
- Stressvermeidung durch Management des Pferdes: Pferde wollen Routinen, die ihren Tagesablauf strukturieren. Abrupte Veränderungen wie ein Umzug, ungewohnte Transporte oder eine zu große, inhomogene Herde bedeutet Stress.
- Ruhephasen: Es gibt Pferde, denen es besser tut, sie sind über Nacht in einer Box, weil sie sonst nicht zur Ruhe kommen (betrifft ranghohe und rangniedrige Tiere) – auch ein Sportpferd braucht Ruhephasen, in denen es nicht mit anderen um Raufutter streiten möchte
- Fellpflege: Waschen & Sprühen mit Sinn und Maß – bei häufigen Wäschen Produkte verwenden, die die Mikroflora der Haut nicht zerstören
Fütterung
- Die Darmflora und den Stoffwechsel des Pferdes gesund halten durch:
- Ausschließlich qualitativ hochwertiges Heu und Stroh verfüttern
- Hochwertiges Mineralfutter (Zinkgehalt beachten) – Calapo Aufbaumineral Plus
- Calapo Darmfit Horse & Robust Ferment Horse zur Aufbauphase und Unterstützung
- Darauf achten, dass die Pferde keine langen Raufutter Fresspausen haben (nicht länger als 4h Stunden am Stück) -dh Heu muss mehr oder weniger dauerhaft oder auf viele Rationen verteilt zur Verfügung stehen Zu lange Fresspausen und minderwertiges Raufutter resultiert in gravierenden Problemen des Verdauungstraktes und des Stoffwechsels, ebenso wieder Einsatz von ungeeigneten Futtermitteln (schwerverdauliche Stärke, zu viel Zucker, Schadstoffbelastung)
- Viele Pferde benötigen kein oder wenig Kraftfutter. Der Hafer hat jedoch bereits in sehr geringen Mengen einen hohen ernährungsphysiologischen Wert, da er sehr viele wertvolle Inhaltsstoffe enthält. Hafer ist das für Pferde leichtverdaulichste Getreide (80% Stärkeverdaulichkeit – Gerste liegt hier bei 26% und Mais bei 29%)[10] und enthält wenig Kleber-Eiweiße, wenig Zucker (alle anderen wie Mais, Gerste wesentlich mehr Zucker -> Insulinspiegel), zudem enthält Hafer eine Reihe von wichtigen Inhaltstoffen wie B-Vitamine, Schleimstoffe, Zink, Magnesium, Silicium, Beta Glucane (Ballaststoffe), Folsäure, Eisen, Vit K, Phosphor, Kalium – LYSIN (wichtig fürs Immunsystem, Aminosäure), Haferöl
- Es gibt viele Pferde, die sehr wohl Kraftfutter benötigen und da hat sich Hafer seit Jahrhunderten bewährt gemacht – viele der beliebten getreidefreien und haferfreien Müslimixturen sind voll mit ungeeigneten Futtermitteln, hier sinnvoll entscheiden
- Die Weide: Pferd nur auf pferdetauglichen Weiden (keine Hochleistungsweiden, keine zu kurz abgefressenen weiden etc.) grasen lassen, sorgfältiges An- und Abweiden
- Die Inhaltsangaben und Zusammensetzungen von diversen Futtermitteln immer genau durchlesen und überlegen, ob das für das Pferd überhaupt sinnvoll ist
- Die Futtermittel aufeinander abstimmen, immer die Gesamtration im Auge haben, nur hochwertige Mineralfuttermittel verwenden und diese ebenfalls auf das Grundfutter abgestimmt, nach Bedarf zufüttern
Das Verteidigungssystem des Pferdes
Der amerikanische Veterinär Immunologe Ian Tizard[3] vergleicht in seinem Buch ‚Veterinary Immunology‘ das Immunsystem mit einem totalitären Polizeistaat, in dem nur jene Bürger bleiben dürfen, die sich den Regeln entsprechend benehmen. „Zu einem Polizeistaat gehören Grenz- und Polizeikontrollen, die die Bevölkerung überwachen und jeden eliminieren, der nicht gehorcht. Auch Prozesse zur Identifizierung von ‚Eindringlingen‘ sind typisch für totalitäre Systeme“, schreibt Tizard – genau so arbeitet das Immunsystem.
Außengrenzen
Die erste Schutzbarriere des Pferdes sind Fell, Haut, Schleimhäute, Tränen, Speichel, Magensäure und Darmflora. Sie sind die Kontaktflächen zur Außenwelt und sollen Krankheitserreger davon abhalten, in den Organismus einzudringen. Sind sie in irgendeiner Form beschädigt, kann dies Einfluss auf die Gesundheit des Pferdes haben. Somit spielt die richtige Pflege dieser Schranken in der Gesunderhaltung des Pferdes eine große Rolle. Und wir meinen damit sicher nicht dass ihr euer Pferd besonders gut putzen sollt. Nein, das Pferd erhält seine Haut und das Fell über Fütterung und Haltung gesund. Dasselbe trifft auch auf die Schleimhäute und den Darm zu. Die richtigen Nährstoffe, viel Zeit im Freien, bei jedem Wetter, die Möglichkeit sich zu Wälzen, gute, nicht von Ammoniak, Schimmel oder Staub belastete Luft sind beeinflussende äußere Faktoren. Natürlich ist es hilfreich, wenn nicht zusätzlich laufend chemische, nicht an die Pferdhaut angepasste Pflegeprodukte verwendet werden.
Fangen und Zerstören – zelluläre Abwehr
Sollten es die Krankheitserreger doch hinter die erste Verteidigungslinie geschafft haben, verfügt der Körper über ein ausgeklügeltes inneres Abwehrsystem. Dieses ‚Fangsystem‘ des Körpers besteht aus Zellen, die Fremdkörper binden, aufnehmen und zerstören können. In anderen Worten: die ‚Eindringlinge‘ werden aufgefressen. Zum zellulären Immunsystem gehören spezialisierte Immunzellen, die entweder frei beweglich (z.B. im Blut) oder ortsständig in den verschiedenen Geweben vorkommen. Die Immunantwort des Pferdes ist die Aufgabe der Lymphozyten. Diese kleinen runden weißen Blutkörperchen sind vorherrschend in Organen wie Milz, Lymphknoten, Peyersche Drüsen und Thymusdrüse. Dort werden die die Lymphozyten gebildet. Sie sind im ganzen Körper in Blut und Lymphbahnen verteilt, wo sie Krankheitserreger erkennen und herausfiltern. [4]
Die Eindringlinge bekämpfen – Antikörperbildung
Antikörper sind spezielle Proteine, die im Blutplasma gebildet werden und mit den Antigenen reagieren um diese zu eliminieren. Dazu muss der Körper aber zuerst einmal bemerken, dass er ‚attackiert‘ wird und den Angreifer erkennen. Ist der Feind identifiziert, schreitet das Immunsystem zum Gegenangriff. Sehr wichtig ist auch die Erinnerungsfähigkeit des Immunsystems, damit in Zukunft schneller auf dasselbe Antigen reagiert wird. „In unserem Polizeistaat wird über den Angreifer eine Akte angelegt“, so Tizard.
Literaturhinweise:
[1] http://www.biologie-schule.de/immunsystem.php
[2] DVM Glenn Gamble, Wyoming Vets
[3] https://www.buecher.de/shop/immunsystem/veterinary-immunology-ebook-pdf/tizard-ian-r-/products_products/detail/prod_id/41206983/, Introduction
[4] http://www.thehorse.com/articles/36874/understanding-the-equine-immune-system
[5] https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/2048756
[6]http://www.leading-medicine-guide.at/Medizinische-Fachartikel/Das-Lymphsystem-Aufbau-Funktionen-und-Erkrankungen, http://www.uni-saarland.de/fileadmin/user_upload/Campus/Forschung/forschungsmagazin/1999/1/Mokusales_Immunsystem.pdf
[7] Aus Artikel ‚Chronischer Stress schwächt das Immunsystem‘, Prof. Norbert Müller von der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie und Nervenheilkunde (DGPPN)
[8] https://www.ddd.dk/sektioner/fagdyrl%C3%A6geforeninger/hest/opgaver/Documents/Lene%20Norman%20Vad.pdf